"Max Ernst - Leben und Zeit" - Serie von Dr. Jürgen Pech

Die Gruppe vertrat den rheinischen Aufbruch zur Moderne. Teils stärker dem Fauvismus, teils eher kubistischen oder futuristischen Tendenzen verpflichtet, teils dem Orphismus des Franzosen Robert Delaunay nachfolgend, dominierte bei allen ein ausgeprägtes expressiv-expressionistisches Stilempfinden. Für Max Ernst war diese Ausstellung der erste öffentliche Auftritt als Künstler. Neben seinen beiden Gemälden "Sturm" und "Promenade", die anschließend in der Berliner Gruppenausstellung zu sehen waren, zeigte er das großformatige Aquarell "Straße in Paris", das sich heute im Kunstmuseum Bonn befindet und über das Alfred Salmony in seiner Besprechung der Ausstellung im "Kölner Tageblatt" notierte: "Von Max Ernst sieht man ältere Bilder, die wie ,Die Straße' eine eigentümliche Farbengebung haben, in denen es wie Elektrizität zuckt; ferner Köpfe auf Glas von außerordentlicher Leuchtkraft der Farbe." Weitere, heute nicht mehr zu identifizierende Werke erwähnte der "General-Anzeiger" zum Abschluss seiner Ausstellungskritik: "Max Ernst ist es mit seinen Bildern ,Martyrium' und ,Christus und die Jünger' (?) wohl am glücklichsten gelungen, die Verständnislosigkeit des Publikums herauszufordern. Sein weiblicher Kopf dagegen zeigt erkennbare Qualitäten. Allzuviel Gleichwertiges verbietet ein weiteres Eingehen. Man möge selbst hingehen und versuchen, in die Mysterien des Expressionismus einzudringen."
 
Am letzten Ausstellungstag berichtete die "Neue Bonner Zeitung", dass 1.400 Besucher und 15 Verkäufe verzeichnet werden konnten. Max Ernst bot seine Werke für 500 Mark an. Für einen Debütanten war dies äußerst selbstbewusst, denn der vier Jahre ältere August Macke hatte dieselben Preise, die lediglich von dem 33-jährigen Heinrich Nauen mit dem dreifachen Betrag überboten wurden. Arbeiten von Ernst Moritz Engert, Helmuth Macke, Carlo Mense, Paul Adolf Seehaus und Hans Thuar, die unter 400 Mark lagen, fanden Abnehmer.
 
Auch Max Ernst besprach die Präsentation. Mit seinem Text, der kurz nach der Eröffnung am 12. Juli 1913 im Bonner "Volksmund" veröffentlicht wurde, verabschiedete er sich darüber hinaus als Kunst- und Theaterkritiker der Universitätsstadt. Seinen ausführlichen, die Rezeption von Neuem erläuternden und Expressionismus als "Ausdruck für ein Seelisches" sowie als "absolute Malerei" charakterisierenden Kommentar beendete er mit dem ironisch gefärbten Vorschlag: "Wer Augen hat, zu sehen, und eine Seele, zu erfassen, benütze die in Bonn so äußerst seltene Gelegenheit zu starken künstlerischen Erlebnissen. Den Blinden aber kann man nicht einmal empfehlen, sich lebenslänglich zu bebrillen."